Der Blick in den Spiegel
 

   
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Da fand er sich im Kreise der weißen Wölfe wieder und versuchte sie davon abzuhalten, immer wieder freudig an ihm hoch zu springen. Schließlich beruhigten sie sich. Da pfiff Baron Samedi durch die Zähne, die Wölfe heulten auf und liefen los. Ariman hatte Mühe, ihnen zu folgen. Sie liefen den Bergen zu, in enge Schluchten hinein und blieben hin und wieder stehen bis er sie wieder erreicht hatte. Während sie auf ihn warteten heulten sie nach Wolfsart, dass es in vielen Echos von den Wänden der Schluchten widerhallte. Doch dann bekamen sie Antwort aus der Ferne und bald strömten von allen Seiten Wölfe herab. Graue, schwarze, braune, gefleckte Tiere umringten ihn. Nicht alle schienen ihm freundlich gesinnt. Er hörte knurrende Laute und sah fletschende Zähne. Seine weißen Wölfe umringten ihn dicht und ließen die anderen nicht an ihn heran. Dann liefen alle gemeinsam los. Die Schar der Wölfe vergrößerte sich weiter, und Ariman war der letzte von allen.

Sie liefen auf eine Passhöhe zu und der Bewuchs wurde immer karger. Schließlich hatte er die Passhöhe erreicht und musste sich erschöpft auf einen Felsen setzen, um Kraft zu schöpfen. Er strich sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn. Mit dieser Bewegung löste sich sein Kopf vom Hals und fiel ihm vor die Füße. Er wollte ihn ergreifen und sich wieder aufsetzten. Da begann der Kopf zu rollen, zuerst langsam dann immer schneller die Passhöhe hinab einer weiten Ebene zu, die ihm bekannt vorkam. 

Ariman rannte ihm nach und fuchtelte mit den Armen, aber der Kopf ließ sich nicht beeindrucken und rollte in einen dichten Wald hinein. Ariman rannte hinterher und wirbelte einen Haufen Blätter auf, die in wildem Wirbel vor ihm her trieben. Schließlich stolperte er über einen Ast und rollte mitten auf eine Lichtung. Da waren die Wölfe wieder da und umringten ihn drohend. Einer hatte seinen Kopf im Maul, spuckte ihn in Gras, setzte sich auf sein Hinterteil und sah ihn lange reglos an. Seine Pfoten formten sich zu Händen. Er griff nach seinem Wolfsschädel, setzte ihn ab und sich stattdessen den Kopf Arimans an die verwaiste Stelle. Dann nahm er den Wolfkopf und setzte ihn Ariman auf den Hals.
Er griff in den Haarschopf seines neuen Hauptes, zog es wieder vom Halse und schwenkte ihn vor Arimans Wolfskopf hin und her:

„Mir hast Du einst meinen Kopf geraubt. Mir, dem Schamanen meines Stammes. Nun habe ich Deinen dafür. Was hältst Du davon, mit einem Wolfschädel geboren zu werden? Du dürftest Dich damit nicht schlechter fühlen als ich damals, als ich ohne Kopf in die jenseitige Welt zu meinen Vorfahren kommen musste und mein Kopf ohne Körper. Erkenne, wen Du vor Dir hast!“

Da warfen alle Wölfe ihr Fell ab und es standen die Indios vor ihm, deren Leben er einst grausam verkürzt hatte. Betroffen schaute Ariman zu Boden. Da hüpfte ihm der weiße Rabe auf die Schulter und gab ihm folgende Worte in den Sinn:
„Mein Herz hat verstanden, wie töricht mein Kopf war. Mit meinem Kopfe und meinem Körper will ich Eurem Volke in meinem neuen Leben dienen und mein Herz soll Euch gehören, jedem einzelnen von Euch und ungeteilt!“
„Schnell sind Worte gesprochen, und schnell sind Worte vergessen, “ sagte der Schamane, „schwöre bei Mutter Erde und allem, was Dir heilig ist, dass Du  lieber wahnsinnig werden wirst, als diesen Schwur zu brechen.“

Ariman tat wie ihm geheißen und sagte: „Ich habe verstanden, dass alle Menschen eines Wesens sind und alle dem gleichen Gott dienen, auch wenn sie der göttlichen Kraft seit Anbeginn Millionen von Namen gaben, die alle an ihre Größe nicht heranreichen. Alle Menschen, die das verstehen, wollen dieser Kraft  voller Hingabe dienen und darin glücklich werden.“
Der Schamane sagte: „Unsere Sache ist das Reden nicht. Wir wollen nicht mehr für unsere Rechte sprechen. Noch schwingt in Deiner Stimme Pathos, dem wir misstrauen. Deshalb brauchen wir ein Unterpfand für Deine Worte.“

Da kamen die Indios und jeder brach ein Stück von Arimans Körper, warf es über die linke Schulter und sagte: „Dies zum Zeichen, dass wir Dir vertrauen.“ Das taten sie solange, bis vom Körper Arimans kein Teil mehr übrig war.

 

 
 

 

 

 

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